🇩🇪 In einer für Naturrechtler hochinteressanten Dissertation namens „Naturrecht und die vorgrundgesetzlichen Würdebegriffe deutscher Länderverfassungen“ des Erfurters Frank Colin, der heute als Steuerberater tätig ist, fand ich unter Punkt 4.1 „Die sowjetische Besatzungszone“ den folgenden (in)direkten Bezug zum Naturrecht.
Colin dazu: „Die zentrale Frage der Arbeit lautet: steht ein naturrechtliches Gedankensystem hinter den Begriffen der Würde in den vorgrundgesetzlichen Länderverfassungen und des GG?“
🇩🇪 DDR-Verfassungen und deren Entwürfe
Auch wenn das Wort „Naturrecht“ in den SBZ- und DDR-Verfassungen nicht vorkam, so doch aus dessen Umfeld der Begriff „Würde“ und dieser gleich mehrfach, wohl als Tarnung, sie später massiv mit Füßen zu treten – zumindest denen gegenüber, die sich nicht mit dem SED-Strom treiben lassen haben, sondern aufbegehrten, da die „Würde“ – nicht nur des Menschen – in der DDR eben antastbar war.
Das Naturrecht
kannte aber schon vorher den Begriff „Würde“, denn es postuliert, daß jedem Menschen aufgrund seiner bloßen Existenz eine inhärente Würde zukommt und es betont, daß diese Würde unantastbar und unveräußerlich ist, unabhängig von sozialen, politischen oder wirtschaftlichen Umständen.
Diese Auffassung besagt, daß jeder Mensch allein aufgrund seines Menschseins respektiert und in seinen grundlegenden Rechten geachtet werden soll. Die Würde des Menschen ist somit ein zentraler Aspekt des Naturrechts, das fordert, daß sie geschützt und geachtet werden muß, ohne Einschränkungen oder Diskriminierung.
Die Verfassungen der SBZ,
veröffentlicht von 1946-1949, betonten stark die Gewährleistung eines „menschwürdigen Daseins“ für alle Bürger: also nicht etwas das des freien Menschen, aber immerhin. Sie legten einen klaren Fokus auf die soziale Gerechtigkeit in der Wirtschaftsordnung, um jedem Bürger ein angemessenes Lebensniveau zu sichern. Dieser Ansatz steht im Einklang mit den Grundprinzipien des Naturrechts, das die unveräußerlichen Rechte und die Würde jedes Menschen betont. Die Betonung des menschenwürdigen Lebens in diesen Verfassungen spiegelte das Bestreben wider, die Prinzipien des Naturrechts zu verwirklichen und die Würde jedes Einzelnen zu schützen, wenn sie vermutlich auch nicht unter dem Gedankens des Naturrechtes geschrieben wurden.
Folgend fünf Beispiele, die das verdeutlichen.
1. Art. 4 Abs. 5 (1. Landesverfassungsentwurf der SED, 1946 – SBZ):
Er beschreibt die Erwartung an Angestellte im öffentlichen Dienst, sich stets ihrer Würde bewußt zu sein und das Vertrauen des Volkes zu genießen.
2. Art. 56 Abs. 1 (Entwurf Verfassung der SED, 14.11.1946)
betont die „soziale Gerechtigkeit“ als Ersatz für den Einzelbegriff „Gerechtigkeit“.
3. Art. 5 (Verfassung der DDR, 07.10.1949)
legte fest, daß Angestellte im öffentlichen Dienst als Diener des Volkes sich ständig als würdig erweisen müssen, das Vertrauen des Volkes zu genießen.
4. Art. 18 (Verfassung der DDR, 07.10.1949)
besagte, daß die Ordnung des Wirtschaftslebens den Grundsätzen der sozialen Gerechtigkeit entsprechen muß, um ein menschenwürdiges Dasein für alle zu gewährleisten.
5. Im Art. 19 Abs. 2 der Verfassung der DDR vom 06.04.1968
lautete es dann fast 20 Jahre später, nachdem am 19.03.1949 die Verfassung der DDR verabschiedet wurde: „Achtung und Schutz der Würde und der Freiheit der Persönlichkeit sind Gebot für alle staatlichen Organe, alle gesellschaftlichen Kräfte und jeden einzelnen Bürger.“
Quintessenz:
Auch wenn die ersten die Verfassungen der SBZ/DDR die Würde des Menschen in verschiedenen Kontexten für ein menschenwürdiges Leben rechtlich boten und das im Einklang mit den Grundprinzipien des Naturrechts stand, welches die Würde jedes Menschen betont, sah es in der DDR-Praxis leider völlig anders aus. – Aber das kennen wir ja auch aus der heutigen BRD.
* SBZ = Sowjetische Besatzungszone
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