Abstract: Ich möchte an einen Menschen erinnern, der mit unerschütterlicher Geradlinigkeit, klarer Haltung und treuer Verbundenheit die Sexualwissenschaft und die Kulturforschung geprägt hat, nämlich mit ehrlicher Redlichkeit, unbeirrbaren Forschergeist und echter gesellschaftlicher Verantwortung. Angesichts des heutigen Zustandes der Sexualwissenschaft, der allzu oft von Anpassung und Oberflächlichkeit geprägt ist, gewinnen diese Tugenden umso mehr an Bedeutung. Möge dieser besondere Tag ihm Kraft und Inspiration schenken für weitere Jahre, in denen er seinen Weg mit derselben Klarheit und Standhaftigkeit weiter gehen wird.

Lieber Prof. Jakob P.,
so, heute also sechzig Jahre jung – dazu meine herzlichsten (auch musikalischen) Grüße!
Möge unser Kontakt in Deinem Fachgebiet auch weiterhin zu lebendigem Austausch führen und beidseitige Anregungen des Denkens und Wirkens ermöglichen, denn so, wie ich Deine Offenheit, Deine Standhaftigkeit und Unbeugsamkeit stets geschätzt habe, so war es doch auch so, daß Du – in den mittlerweile dreizehn Jahren unserer Bekanntschaft – ebenso meiner eigenen Offenheit, meiner Geradlinigkeit und meinem unbeirrbaren Kurs in der Sexualaufklärung (seit 1986) mit Wohlwollen begegnet bist; ja, ich darf behaupten: Du hast mir nie den Rücken gekehrt (wie es andere Deiner Kollegen taten, nur weil ich dem Zeitgeist nicht hinten hinein kroch, wo sie schon drinnen waren, mir es aber mit denen zu eng und zu muffig geworden wäre), sondern meine eigenständige Haltung, mein unbeugsames Streben und mein konsequentes Zielbewußtsein nicht nur erkannt, sondern zudem wiederholt anerkennend hervorgehoben. Auch wenn wir nicht immer der gleichen Meinung waren, aber eben gerade das macht jenes freie Denken und Handeln aus, was heute nur noch ein Schatten seiner selbst ist.
Das ging sogar so weit, daß Du mir – der ich nur einen Zehnklassenabschluß besitze und kein Studium aufnehmen durfte, weil es dem DDR-System nicht in den Kram paßte – eine hohe Ehre zuteilwerden ließest.
Folgend der entsprechende Auszug meines damaligen Antwortbriefs (ePost) aus den mehr als 350 gegenseitig gesendeten Nachrichten:
Lieber Herr Prof. Jakob Pastötter,
heute Nacht stand ich auf, weil mir wieder das Folgende durch den Kopf ging und schrieb diesen Brief.
Sie hatten mich 2016 einmal im Bezug auf meine nun schon 35-jährige Beschäftigung mit Hirschfeld (und generell der Sexualaufklärung) mit Prof. Friedrich Salomon Krauss verglichen bzw. geschrieben:
“Sie gehören zu den Fachleuten: Sie stehen in der stolzen Tradition von Friedrich Salomon Krauss und leisten mehr als so mancher ‚bestallter‘ Wissenschaftler!
Das ehrte mich damals sehr, denn so eine Auszeichnung, die ich als die Ihrige ehrliche Anerkennung für meine langjährige sexuelle Aufklärungsarbeit sah, habe ich bis dato noch von keinen der Honoratioren bekommen und hätte sie mir auch ein Zeitgeister zuerkannt, wäre ich skeptisch gewesen, denn die sind, wie Sie ja selbst auch wissen, wie das Wetter: heute voller Wärme und Sonnenschein und morgen (weil sich der Zeitgeist plötzlich ändert) das schlechteste Wetter, das man sich nur vorstellen kann, weshalb man denen nicht trauen kann, wenn es um Anerkennungen geht. Bei Ihnen hatte ich aber sofort ein ehrliches Gefühl, da auch Sie nicht unbedingt jeden Zeitgeistquatsch mitmachen, da dieser meist unprofessionell, an den Haaren herbei gezogen und zudem unwissenschaftlich ist, daß Sie meine öffentlichen Bemühungen um Anerkennung von sexuellen Minderheiten nicht nur honorieren, sondern als menschlich wertvoll empfinden …
…
Lieber Prof. Jakob P.,
da Du dem swingenden Takt der Musik ebenso zugetan bist wie dem schwungvollen Denken, habe ich Dir – als kleinen musikalischen Geburtstagsgruß – ein lebhaftes Stück aus meiner Feder musikalisch umgesetzt, das beschwingt daherkommt und ganz meinem Wesen entsprechend, mit diesem swingenden Temperament ich Dir heute auch das Du anbiete, so wie Du mich eben kennst: ein wenig unkonventionell, aber stets mit einem Augenzwinkern und einer Brise Renitenz.
Und wie „Er“ ja weiß, habe ich „Ihn“ bisher anfänglich gesiezt und später in der dritten Person angesprochen (das führte ich generell vor einigen Jahren anstelle von „Sie“ ein), eine alte, leider vergessene Anredeform, die ich sehr schätze, da sie erhaben und ehrlich klingt – denn ich mag eben die echte deutsche Schrift und Sprache und nicht das verhunzte heutige Sprachgewirr, was auch noch ärgerlicherweise als „Deutsch“ bezeichnet wird.
Du bist einer der ganz wenigen Sexualwissenschaftler,
die nicht – wie so viele andere – im Strudel des Zeitgeistes ihren eigenen Geist verloren haben, sondern ihn mutig und wach in die Zeit hineingetragen haben, ohne sich ihr zu beugen. In bester Tradition von Magnus Hirschfeld, der einst mit fester Stimme sprach: „Per scientiam ad justitiam“ – „Durch Wissenschaft zur Gerechtigkeit“. Doch dieser Wahlspruch, der einmal (nicht nur) das Banner aufgeklärter und ehrlicher Sexualwissenschaft gewesen ist, hat in den letzten zwanzig, wenn nicht dreißig Jahren seinen festen Platz verloren; er wurde verdrängt von politischen Anpassungsparolen, wissenschaftlicher Gefälligkeit und propagandistischen Losungen und Dogmen, der sich allzu viele (fast ALLE) kampflos hingaben. – Du jedoch nicht!
Und so könnte ich, wenn ich mühsam mein Gedächtnis durchforste, kaum mehr als eine Handvoll Deiner Berufskollegen aufzählen, die sich nicht längst irgendwo in Systemnähe eingeigelt oder in der Konformität der Gleichheit eingerichtet haben. Und glaube mir (Du weißt es wohl auch), ich kann das ein wenig beurteilen, denn in den letzten knapp vierzig Jahren hatte ich mit annähernd fünfzig Sexualwissenschaftlern und deren Kollegen in angrenzenden Fachbereichen schriftliche und in vielen Fällen auch intensivere Arbeitskontakte.
Im kommenden Jahr begehe ich mein vierzigjähriges Jubiläum
als Sexualaufklärer, denn dann wird mein gesellschaftlich anerkanntes und 1986 in der DDR gegründetes ROSA ARCHIV & Bibliothek 40 Jahre jung.
Vier Jahrzehnte – eine Zeitspanne, in der ich mit den einflußreichsten Deiner Kollegen (Männlein wie Weiblein) der achtziger, neunziger und der sogenannten Nullerjahre in Austausch stand. Und leider: Nur ganz wenige (bis kaum jemand) unter ihnen blieben unabhängig. Viele biederten sich – in DDR-Zeiten oft aus ökonomischem Zwang, was ich ihnen nicht unbedingt zur Last lege – aber einem System an, das sie zwar ernährte, aber auch nur so lange, solange sie treu als Genossen dem Sozialismus hoch hielten.
Aber nach der Wende?
Da hätten sie frei denken dürfen (was sie am Anfang auch taten) – und wollten es aber ab Mitte der 1995er Jahre beginnend, dann nicht mehr. Stattdessen reichten sie – und hier meine natürlich die gesamtdeutsche Sexualwissenschaft – ihre Projekte dort ein, wo Systemtreue belohnt und Forschung zur Vollstreckung politischer Agenden umfunktioniert wurde und bis heute wird.
Die Freiheit der Wissenschaft wurde zur hohlen Vokabel, mit der man Fördergelder verteilte – sie ist aber nicht der Raum, nicht jene Freiheit, die nach Schlagworten tanzt, sondern jene, die der wahren Erkenntnis folgt, deren Tanzstile vielfältiger, ausdrucksstärker und unendlich wandelbar sind.
Was jedoch den heutigen Stand der Sexualwissenschaft betrifft – oder besser gesagt: das, was sich noch unter diesem einst ehrwürdigen und inhaltlich starken Namen tarnt –, so muß man mit Bedauern feststellen, daß es den freien, kritischen, wahrheitssuchenden sexualwissenschaftlichen Diskurs kaum (eigentlich öffentlich nicht wirklich) mehr gibt. Wo einst forschender Geist, unbequeme Fragen und interdisziplinäre Denkkraft herrschten, ist heute ein ideologisches Nebelfeld aufgezogen, in dem freies Denken entweder gar nicht erst zugelassen oder rasch wieder abgewürgt wird – und zwar nicht durch Argumente, sondern durch Etiketten, Ausgrenzung und die Entziehung existentieller Grundlagen wie etwa der Forschungsförderung.
Man betrachte nur die Weltnetzseiten jener Honoratioren und ihrer sexualwissenschaftlichen Institutionen und Vereinigungen: Überall prahlt man damit, wer einen fördert, für welche Projekte Gelder fließen, wer wo mit wem vernetzt ist – ein glänzendes Schaufenster der Selbstbeweihräucherung.
Doch was da als Forschung verkauft wird, ist längst keine Suche nach Wahrheit mehr, sondern ein wohlfrisiertes Dienstwerk im Auftrag jener, die den Geldhahn bedienen. Hier forscht man nicht, um zu erkennen – hier stellt man Thesen auf Bestellung her, auf daß die Geldgeber sich in ihrer Weltsicht bestätigt fühlen und ihre Kassen sich mit jeder vermeintlichen Erkenntnis noch ein wenig mehr füllen. Die Wissenschaft wird nicht mehr genährt, sie wird gemästet – doch nicht mit inhaltlichem Gehalt, sondern mit gewinnbringenden und wissenschaftsfeindlichen Gefälligkeit.
Beispiele gäbe es in Hülle und Fülle, doch zwei will ich herausgreifen:
Warum wohl wurde der angebliche – wohlgemerkt niemals nachgewiesene – HI-Virus überhaupt zum Patent angemeldet? Und warum geschah Ähnliches mit dem sogenannten C19-Virus?
Ein Patent ist kein Siegel der Wahrheit, sondern ein Eigentumsanspruch – man meldet es an, nicht um Leben zu retten, sondern um Monopole zu sichern. Nicht Erkenntnis steht im Mittelpunkt, sondern Ertrag. Es geht nicht um Heilung, sondern um Herrschaft. Patente schützen nicht vor Krankheit, sondern vor Konkurrenz – und was sich hier auftut, ist ein Markt, kein medizinisches Ethos.
Gesundheit, so wird uns vorgespiegelt, sei das hehre Ziel. Doch mit wahrer Gesundheit ist kein Geschäft zu machen. Nur der Kranke bringt Ertrag. Die Wahrheit ist bitter wie eine schwarze Pille: Die Krankheit ist die Ware – und der Mensch das Absatzprodukt.
An die Stelle einer redlichen, wahrheitssuchenden Sexualwissenschaft ist heute ein systemgemachtes Sexualwissen getreten – ein genormtes Konstrukt, das nicht für den Menschen da ist, sondern gegen ihn wirkt: nicht der Erkenntnis verpflichtet, sondern der Gesinnungspflege; nicht dem lebendigen Verstehen des Menschlichen, sondern der ideologischen Formung nach politischem Maß.
Wer heute öffentlich behauptet, es gebe lediglich zwei Geschlechter – eine Feststellung, die durch Biologie, Anthropologie und jahrtausendelange Beobachtung gestützt ist – läuft bereits Gefahr, als rückständig oder gar als „gefährlich“ diffamiert zu werden. Und wer den Irrwitz mitträgt, es gäbe nicht nur drei oder vier, sondern Dutzende „Geschlechter“, der hat sich nicht an wissenschaftlichen Erkenntnissen geschult, sondern sich lediglich die dramaturgischen Vorgaben eines Zeitgeistes zu eigen gemacht, der mehr an psychologische Willenslenkung erinnert als an Wissenschaft im eigentlichen Sinn.
Und das Volk, das diesen Unsinn längst durchschaut hat, bringt es auf seine Weise auf den Punkt: „Die haben nicht alle Tassen im Schrank.“ – Und so leid es mir tut: Ich kann dem nur beipflichten, denn ich sehe diese Scherben überall (nicht nur in der Sexualwissenschaft).
All das und noch viel mehr, lieber Prof. Jakob P.,
konntest Du nicht nur frühzeitig erkennen, sondern hast Dich auch nie daran beteiligt – und dafür gebührt Dir Dank, Respekt und Freundschaft. Du gehörst zu denen, die ihren Geist nicht verkauft, nicht verraten, nicht verbogen haben – und gerade deshalb bist Du, in einer Welt voller Nachredner, ein Selber-Denker geblieben. Ein seltener Mensch – und einer, dem ich zum heutigen Tag nicht nur gratuliere, sondern auch aufrichtig danke.
Und wer es heute wagt, abseits der herrschenden Dogmen zu forschen, wer es sich anmaßt, biologische Tatsachen beim Namen zu nennen oder gar den Mut aufbringt, zwischen begründeter Erkenntnis und ideologisch aufgeblähter Wunschvorstellung zu unterscheiden, der wird rasch aufs Abstellgleis rangiert – ohne Projektmittel, ohne Zugang zu den großen Publikationskanälen, ohne Gehör in der verordneten Debatte.
So verschwindet – und für mich ist sie längst schon verschwunden – die unabhängige Sexualwissenschaft nicht einfach lautlos, sie wird gezielt verdrängt. Und mit ihr schwindet jenes echte Wissen, das einst redlich und furchtlos dem Menschen nachspürte – seinem Leibe, seinem Seelenleben, seinem Verlangen und seinen Grenzen. Was bleibt, ist ein Zerrbild: Wissenschaft im Dienst der Anpassung, nicht der Aufklärung.
Lieber Prof. Jakob P.,
auch Du wurdest Opfer dieses Systems – weshalb Du Deinen sexualwissenschaftlichen Beruf in der BRD heute kaum mehr ausüben kannst. Um so schöner ist es, daß Du ihn nun mit Freude anderswo ausfüllst, wo Du seit geraumer Zeit weilst. Und die Menschen dort danken es Dir: Sie haben Dich aufgenommen – nicht nur häuslich, sondern mit offenem Herzen und familiär –, wie ich es immer wieder an den Bildern sehen und spüren kann, die Du mir sendest. Sie tragen Wärme in sich, Nähe und jene stille Würde, die entsteht, wenn jemand am rechten Orte wirkt. Ich freue mich für Dich, denn Dein Umfeld dort ist herzlich, frei, ungezwungen und aufrecht – all das, was Du in der BRD nicht erleben konntest; denn dort war alles von Mißtrauen durchdrungen, von Ideologie gefärbt, von Kontrolle durchsetzt und von einer geistigen Enge bestimmt, die dem freien Forschergeist jede Luft zum Atmen nahm.
Mein lieber Prof. Jakob J.,
Du kennst mich ja, wenn ich einmal einen Satz beginne, kann daraus schnell ein Buch werden, weshalb ich jetzt mein kleines Grußwort beenden möchte, obwohl ich noch viel zu sagen hätte, aber das könnte ich ja tatsächlich später in Buchform machen: der Gedanke gefällt mir sehr gut.
Und dennoch – oder gerade deshalb – bleibt zu hoffen, daß inmitten all des Lärms, der Konformität und der Pseudowissenschaft jene wenigen Stimmen, die dem Menschsein noch mit Ernst und Würde begegnen, nicht ganz verstummen. Vielleicht sind wir nicht viele, doch jeder Einzelne von uns zählt mehr als doppelt – als Hüter eines alten Feuers, das nicht verglimmt, solange es noch weitergereicht wird, von Herz zu Herz, von Geist zu Geist und von Verstand zu Verstand.
So erhebe ich das Glas – nicht allein auf Dein neues Lebensjahrzehnt, sondern auf jenen ungebrochenen Strom des freien Denkens, in dem wir beide stehen. Und da Worte, so wie Töne, Brücken schlagen, lasse ich zum Schluß für Dich noch einen musikalischen Gruß erklingen: Ein leiser Swing, geboren aus Takt und Trotzkraft, voller Lebenslust, schelmenhaft wie ein Augenzwinkern – vom rosa Mikulás aus dem ungarischen (früher Somogyszentpál) Újudvar. Mit Zeilen, die Dich feiern, ehren und von Herzen ideell beschenken, tragen sie die Botschaft in sich:
„Bleib, wie Du bist – denn nur so bleibst Du Dir und anderen treu.“
Herzlich in junger, freundschaftlicher und gemeinsam thematischer Verbundenheit,
Rosa von Zehnle úr.
Rosa von Zehnle úr
Ùjudvar, 2025.07.26
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